Südtiroler Schachgeschichte (I)

Die Elo-Punkte des SSB: Wie alles begann...

 

Im Jahre 1970 beschloss der Weltschachschachverband FIDE beim Kongress in Siegen

die Einfuhr eines Wertungssystems für die Schachspieler. Das verwendete Rating-System

wird heute vereinfacht als Elo-System bezeichnet und wurde von vielen

nationalen Verbänden übernommen. Auch in Südtirol begann man ab 1979

mit dieser neuen Möglichkeit, die Spielstärke der Schachspieler zu ermitteln.

 

 

   Wer den Begriff Elo hört, denkt in erster Linie an die so genannten Elopunkte, welche die Spielstärke eines Schachspielers angeben. Benannt ist die Elo-Wertung nach dem Physiker und Statisiker Arpad Emrick Elo (1903 - 1992), einem gebürtigen Ungarn. Elo war selbst ein guter Schachspieler und zwei Jahre lang Präsident der American Chess Federation, aus der später die USCF hervorging. Elo begann ab 1959 Turnierergebnisse statistisch auszuwerten. Er entdeckte, dass eine dem Spieler zugeordnete Elozahl zum einen die Spielstärke angibt, zum anderen Prognosen über die Erfolgsaussichten gegen andere Schachspieler möglich sind. 1960 wurde das System von der USCF übernommen. Die FIDE folgte 1970, offiziell eingeführt hat es der Weltschachverband am 1. Juli 1971, wobei Elo, dessen richtiger Name Élő Árpád Imre war, die Berechnungen für die FIDE selbst übernahm.

 

   Nach und nach folgten die nationalen Verbände mit geringen Modifikationen, aber immer nach nach Elo's Methode und abweichenden Faktoren. Auch der italienische Schachverband führte eine Wertungsliste ein. In Südtirol gab es um 1977 Überlegungen, Spieler bei Veranstaltungen in "Stärkeklassen" einzuteilen. An Elo's Erfindung dachte dabei wohl noch niemand.

 

    Das änderte sich im Sommer des Jahres 1979. Bei der Neuwahl des SSB-Vorstandes bei der Vollversammlung in Klausen am 25. Mai 1979 schafften Günther Oberhammer, Eugen Hartmann, Martin Kowalczyk, Luis Werth, Karlhans Wachter, Luis Hofer, Andreas Wieser und Ernst Campidell den Sprung in den Vorstand. Noch am selben Tag setzte sich Werth bei der Wahl zum SSB-Präsidenten mit zehn zu acht Stimmen gegen Oberhammer durch.

 Am 9. Juni 1979 traf sich der neu gewählte, achtköpfige Vorstand in der Bar Gummer in Bozen zu einer Sitzung, wobei unter Punkt zwei die Aufgaben verteilt wurden. Unter Punkt vier wurde das Thema Eloberechnung konkret und der folgende Beschluss gefasst:

 

4. Schaffung einer ELO Rangliste für Südtirol.

Es wurde beschlossen eine genaue Regelung für die Elo Rangliste auszuarbeiten und einen Spielerausweis einzuführen. Dafür wurden beauftragt: Martin Kowalczyk Vorsitzender, Arch. Karlhans Wachter und Luis Hofer.

Inzwischen machten sich die Beauftragen daran, ein Reglement auszuarbeiten. Es erschien plausibel, die Ratingzahlen der nationalen Wertungsliste, in welcher Südtiroler Denksportler in einer überschaubaren Anzahl vertreten waren, als Startwert zu übernehmen.

Doch damit entstand ein neues Problem: Bei den nationalen Turnieren spielten die Teilnehmer je nach ihrer Kategoriezugehörigkeiten getrennte Open (was es übrigens auch bei den Bozner Festivals der 90-er Jahre auch noch gab). Dadurch gab es von der einen zur nächst höheren Kategorie Wertungsunterschiede von bis zu 200 Punkten. In Südtirol, wo es bereits offene Turniere gab, spielten im Gegensatz dazu alle Teilnehmer in einer Gruppe. Man fand heraus, dass das bei etwaigen Eloberechnungen zu extremen Wertungsdifferenzen geführt hätte. Somit war klar, dass das internationale und das nationale Wertungssystem nicht zur Gänze übernommen werden konnte. Doch man fand eine Lösung: Man einigte sich auf eine Differenz von 74 bzw. 76 Punkten zwischen den einzelnen Leistungsgruppen.

Am Nachmittag des 1. September 1979 traf sich der Vorstand erneut, diesmal in der Bar Atl in Bozen. Der Vorstand verpasste dabei dem Regelwerk den Feinschliff. Im Sitzungsprotokoll heißt es:

2. Einführung der ELO Punkte.

Die einzelnen Regeln für die ELO Punkte, welche von den Herrn Hofer, Wachter und Kowalczyk ausgearbeitet wurden, hat der Vorstand verbessert und dann angenommen. So werden die Elopunkte in der Saison 79/80 in Südtirol mit den Regeln vom 1. 9. 79 zum ersten Mal eingeführt.

 

"Die einzelnen Artikel zur

Berechnung des Südtirol ELO" 

 

 

Das ausgearbeitete Regelwerk umfasste 11 Artikel; unter Punkt 1 hieß es:

 

Art.1 Spieler die bereits eine nationale Kategorie haben bekommen: Meister 1576 Punkte, Meisteranwärter 1500, 1. nationale Kategorie 1426, 2.naz. Kat 1350 und 3.naz. Kat. 1276 Punkte.

 

 

Für den zu diesem Zeitpunkt bereits zweifachen Staatsmeister Carlo Micheli konnte diese Regelung nicht umgesetzt werden. Wegen seiner bereits bestehenden hohen FIDE-Wertung wurde das oben erwähnte "Problem" erkannt. Daher wurde er mit einem  höheren Wert ausgestattet. Das, was unter dem Strich herauskam, erinnert in heutigen Zeiten eher an eine Vereinsrangliste. Die folgende Liste ging jedoch als erste Elorangliste in die Geschichte des Südtiroler Schachbundes ein, veröffentlicht wurde sie zum ersten Mal am 15. September 1979:

 

Micheli Karl            Bruneck        Meister               1650

Bertignoll Meini        LASK           Meister               1576

Prosser Fritz           LASK           Meister               1576

Billio Atto             LASK           Meisterkandidat       1500

Wielander Karl          DLF Meran      Meisterkandidat       1500

Battisti Giuseppe       Richter        1. Leistungsklasse    1426

Del Piero Flavio        Brixen         1. Leistungsklasse    1426

Montanelli Enrico       Richter        1. Leistungsklasse    1426

Muscolino Attilio       Richter        1. Leistungsklasse    1426

Stuflesser Walter       St. Ulrich     1. Leistungsklasse    1426

Voltolini Giuseppe      Richter        1. Leistungsklasse    1426

Widmann Paul            LASK           1. Leistungsklasse    1426

Di Lazzaro Gabriele     LASK           2. Leistungsklasse    1350

Hermeter Walter         LASK           2. Leistungsklasse    1350

Hofer Luis              Deutschnofen   2. Leistungsklasse    1350

Kowalczyk Martin        Welschnofen    2. Leistungsklasse    1350

Antonucci Antonio       Richter        3. Leistungsklasse    1276

Bonseri Sergio          Richter        3. Leistungsklasse    1276

Cologna Paolo           LASK           3. Leistungsklasse    1276

Eccel Franco            Richter        3. Leistungsklasse    1276

Erschbaumer Helmut      Welschnofen    3. Leistungsklasse    1276

Giordano Antonio        Gemeinde BZ    3. Leistungsklasse    1276

Ingannamorte Gaetano    Richter        3. Leistungsklasse    1276

Kerschbaumer Horst      Tramin         3. Leistungsklasse    1276

Kusturin Anton          DLF Meran      3. Leistungsklasse    1276

Palermo Mario           Richter        3. Leistungsklasse    1276

Panin Manlio            Richter        3. Leistungsklasse    1276

Parella Alfredo         DLF Meran      3. Leistungsklasse    1276

Segatini Andrea         Richter        3. Leistungsklasse    1276

Silvestri Franco        Richter        3. Leistungsklasse    1276

Werth Luis              Brixen         3. Leistungsklasse    1276

Wieser Andreas          DLF Meran      3. Leistungsklasse    1276

 

"Alle Spieler die in dieser Liste nicht vermerkt sind, haben 1200 Elopunkte" hieß es am Ende dieser Liste. Somit war der Startschuss für die Berechnung der Elopunkte in Südtirol gefallen.

Das Original der ersten Elorangliste

 

In einem "Begleitschreiben zur ELO Einführung" hoffte "der Leiter der Elopunkte", Martin Kowalczyk, außer der SMM-Partien viele Turnierergebnisse zur  Auswertung zu erhalten. Er schrieb:

 

Da interne Turniere oft nicht, oder nur mit größter Mühe beendet werden, erhofft man sich vom S.S.B auch dort eine Besserung, denn falls die Turniere für die Elowertung gemeldet werden,- der S.S.B. würde das sehr begrüssen - so bekommt man in die Turniere Einblick (...) und man kann bei Schwierigkeiten allenfalls mithelfen.

 Was dabei herausgekommen ist, ist eine andere Geschichte...

 

N.B. Anmerkungen bzw. Hinweise zur Vervollständigung dieser Geschichte sind erwünscht! Danke im Voraus!