E
Dieses Turnier
hatte viele Sieger
A
25.02.2020 War es so geplant oder nur ein Zufall, dass das 15.
Bozner Open an einem so genannten palindromischen Tag,dem 02.02.2020,
endete? Solche Tage, an denen das Datum in beiden Richtungen lesbar ist,
sind extrem selten, aber an der Tag wollte es, dass sich die Turnierbücher
mit Besonderheiten füllen...
· Für ein positives Glanzlicht
sorgte Jonas Unterweger. Der Sieger des C-Opens war an diesem Tag exakt 8
Jahre und 231 Tage alt, als er bis dato seinen größten Erfolg erzielte. Dem
Schreiber dieser Zeilen ist nicht bekannt, dass es auf Südtiroler Boden
jemals einen Sieger eines internationalen Turniers gab, der jünger war.
Seine Ziele? Da seine anderen Hobbys wie Fußball, Skifahren und Eislaufen
kaum Zeit für das Schachspiel übrig lassen, beschäftigt er sich mit Schachrätseln,
möchte sich aber künftig mit Endspielen und Eröffnungen befassen, um sich
zu verbessern. Spricht hier ein kommender Meister?
· Sieben Spieler im ersten
Punktrang: Das hat es bislang auch noch nie gegeben. Dabei sind die Bozner
Open schon des öfteren zu Ende mit einem so genannten „toten Rennen“ zu
Ende gegangen; im besonderen in Erinnerung dürfte die Auflage von 2017
sein, bei der mit GM Drazic und FM Andre Spornberger gleich zwei Spieler
mit einer hundertprozentigen Ausbeute (fünf aus fünf) das Turnier
abschlossen. Die meisten Spieler im ersten Punktrang gab es bislang 2011,
als vier Spieler das Endklassement anführten. Sieger damals: FM Patrick
Scharrer.
· Plant da jemand ein Comeback?
Unter den Teilnehmern des B-Opens befand sich ein alter Bekannter, der den
jüngeren Südtiroler Generationen kaum bekannt sein dürfte. Erwin Mumelter,
in den 80-er Jahren Präsident des „Südtiroler Schachbundes“ hat die
Schachfiguren bei größeren Turnieren fast drei Jahrzehnte lang ruhen
lassen, aber verlernt hat es der 67-jährige nicht, wie sein fünfter Platz
zeigt. Und neue Motivation hat er anscheinend auch bekommen.
· Mit 116 Teilnehmern
bestritten so viele Spieler wie noch nie das Bozner Open. Mit anderen
Worten: Es gab eine Rekordbeteiligung. So schön das auch ist, so betrüblich
ist es im nachhinein, da die hohe Beteiligung eine dicke Stange an
Mehrkosten verursacht, wie Turnierdirektor Luca D'Ambrosio bilanziert. Die
Teilnehmer zeigten sich allerdings von der besonderen Spielathmosphäre im
Schloss Maretsch begeistert. Will heissen: Anders als so kann man es sich
eigentlich kaum noch vorstellen. Oder: Bitte noch einmal!
· Der neue König von Schloss
Maretsch, IM Radoslav Gajek, hat mit seinem Turniersieg ebenfalls einen
Rekord beim Bozner Open aufgestellt. Er ist der erste Spieler, dem nach
fünf Runden vier Punkte zum Turniersieg ausreichten. Außerdem der erste
Österreicher, der Bozen als Turniersieger verlässt. Bisher fanden sich
Sieger aus Italien, Kroatien, Deutschland und Serbien in den Siegerlisten des
Bozner Opens.
· Noch einmal Gajek: Er hat es
sich nicht nehmen lassen, sein langes und spannendes Duell gegen Alberto
Barp zu kommentieren und lässt uns dabei an seinen Gedankengängen
teilnehmen.Vielen Dank dafür!
FM Alberto Barp (2369) – IM Radoslav
Gajek (2423)
Königsindisch E65 (Kommentar:
Radoslav Gajek)
Die Turniersituation war für
mich kritisch. Wegen der schwachen Buchholz-Wertung war ich an zweiter
Stelle - eben nach meinem Gegner. Ausser mir und Alberto gab es noch einen
Spieler, der drei Punkte aus drei Partien hatte (Anm. d. Red.: Max
Spornberger). Grundsätzlich kam nur der Sieg für mich in Frage. Nach einem
Remis hätte ich mich immer noch bedroht gefühlt.
1.d4 g6 2.Sf3 Lg7 3.g3 Eine kleine Überraschung; ich
habe gewusst, dass mein Gegner ein d4-Spieler ist, aber die Variante mit g3
in Königsindisch habe ich in keiner Partie von ihm gesehen.
3...Sf6 4.Lg2 0–0 5.c4 c5
6.Sc3 d6 7.0–0 Sc6 Eine klassische Stellung, ich habe jetzt d5 erwartet.
8.dxc5 8.d5 Sa5 9.Sd2 a6 führt zu einem
komplizierten Spiel. Die Variante fand ich gut für diese Partie, weil ich
auf jeden Fall auf Gewinn spielte.
8...dxc5 9.Lf4 Mein Gegner wäre mit Remis
zufrieden gewesen, die Variante mit 8...dxc5 ist nicht die kritischste,
aber die solideste.
9...Le6 10.Se5 Der Punkt ist, dass alles
abgetauscht wird.
10...Sxe5 11.Lxe5 Da5!? Dafür habe ich ein paar
Minuten überlegt. In Frage kam auch 11...Db6 aber nach 12.Db3 gefiel mir
die Stellung nicht. Nach 11...Sd7 sagt die Theorie 12.Lxg7 Kxg7 13.b3 (13.Lxb7
Tb8) 13...Dc7=.
12.Lxb7 Tad8 13.Da4 Dxa4
14.Sxa4 Lxc4 15.Sxc5 Lxe2 16.Tfe1 Lg4 Ursprünglich wollte ich 16...Lc4 spielen um
dann auf d5 tauschen zu können. Doch habe ich auch ein Hindernis gesehen:
17.Tac1 Ld5 18.Lc7 Tde8 19.La6. Meine Türme stehen sehr passiv und
höchstwahrscheinlich kann ich den a2- Bauern nicht nehmen. Alle weißen
Figuren sind dominant.
17.Tac1 Sd5 Der Läufer auf g4 spielt schon
eine wichtige Rolle: Er kontrolliert das Feld d7.
18.Kg2 Mein Gegner wartet ab.
Folgende Variante 18.Lxg7 Kxg7 19.Lxd5 Txd5 20.Txe7 Tc8 hätte nicht zum
Erfolg geführt. Weiß hat zwar einen Bauern mehr, aber eine schwache erste
und zweite Linie und die weißen Felder beim König sind auch schwach. Hier
hätte ich schon lieber Schwarz.
18...f6! Ich musste dringend ein
Gegenspiel finden.
19.Lb8! Der einzige Zug, ehrlich
gesagt habe ich ihn nicht gesehen. Sonst hätte mein Gegner seinen Läufer
gegen meinen Springen tauschen müssen.
19...Lh6 Nur die Effektivität und
Schnelle können mir helfen.
20.Tc4 Ld2 21.Ta1! Ungewöhnlich aber sicher.
21...Sb6 So gelang es mir den Angreifer
des Gegners abzutauschen. 22.Txg4 Txb8 23.Td4 Tfd8 24.Txd8+ Txd8 25.Td1
Sc4 26.Se4 Oder 26.Sb3 Sa5 mit Ausgleich.
26...f5 27.b3 Sa5 28.Txd2 Txd2
29.Sxd2 Sxb7 30.Sc4 Kf7 31.f4 Ke6 Hier habe ich noch gehofft, dass ich besser stehe,
weil mein König doch besser zentriert ist.
32.Kf3 Kd5 33.Ke3 Sc5 34.Se5 Hier hat mir mein Gegner das
Remis angeboten. Ich habe mir kurz überlegt und abgelehnt, was ich später
bereut habe. Die Turniersituation hat mich zu stark beeinflusst.
34...g5?! 35.Sf3! Ich habe mir die Schwächen
gebildet und der weiße Springer ist zu schnell.
35...g4 36.Sd4 e6 37.Sb5 Hier habe ich einen
Berechnungsfehler gemacht.
37...a5 Ich musste so spielen, da
37...a6 nicht geht wegen 37...a6 38.Sc7+ Kd6 (oder 38.Kc6) 39.b4!!
Das hatte ich übersehen. Das Bauernendspiel ist für Schwarz verloren.
38.Sc3+ Kd6 39.Kd4 Sd7 40.Sb5+
Kc6 41.Sa3!+- Der
Bauer, der auf a5 gehen musste ist jetzt eine Schwäche. Die Stellung ist
schon für mich verloren.
41...h5 42.Sc4 Kb5 43.a3 Während der Partie habe ich
noch hier gedacht, dass alles in Ordnung ist. Wieder habe ich eine
taktische Möglichkeit 43....Sc5 44.Sxa5! übersehen. Leider, deswegen musste
ich eine andere Chance suchen.
43...a4 44.bxa4+ Kxa4 45.Se5
Sf6 46.Sd3 Kxa3 47.Ke5 Sd5 48.Kxe6 Se3 49.Se5 Kb4 50.Sc6+ Kc3 51.Se7 Sf1
52.Kxf5 Sxh2 53.Kg5 Kd4 53...Sf1 54.Sf5 Kd3 55.Kxh5 Ke4 56.Kxg4 Sh2+ 57.Kg5
Sf3+ 58.Kg6+-.
54.f5 Ke5 55.Sg6+ Kd6 56.Kxh5
Kd7 57.Kg5 Ke8 58.Se5 Ke7 59.Sxg4 Sf3+ 60.Kf4 Sd4 61.Se3 Se2+ 62.Kf3 Sd4+
63.Ke4 Se2 64.g4 Kf6 65.Sd5+ Kg5 66.Ke5 Meiner Meinnung nach war 66.f6 einfacher.
66...Sg1 67.Se3 Sf3+ 68.Ke6
Kf4 Trotz
zwei Bauern mehr war der Gewinn immer noch nicht so einfach aber hier hat
mein Gegner den Gewinn losgelassen:
69.f6?? 69.Kf6 war der Gewinnzug. Nach
69...Kxe3 70.g5 sind die Bauern nicht zu stoppen.
69...Sg5+ 70.Kd5 Kxe3 71.Ke5
Sf3+ 72.Kf5 Sd4+ 73.Kg5 73.Kg6 Kf4 74.f7 Se6 75.Kf6 Sg5 76.f8D Sh7+=.
73...Ke4 74.f7 Ke5 75.Kg6 Se6
76.g5 Sf8+ 77.Kg7 Se6+ 78.Kh6 78.Kg8 Kf5=
78...Kd6! Der König muss auf f8 kommen.
79.g6 Ke7 80.Kh7 Kf8 1/2–1/2
Glück im Unglück: Ich habe
übertrieben aber doch die Partie gerettet. Doch war die Turniersituation
nach dem Remis noch schwieriger. Es gab fünf Spieler mit 3,5/4 und ich war
immer noch auf dem zweiten Platz.
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